Über den Khaburabot an den Fuss des Pamir

Im Teehaus in Kalaihusseini, wo wir unser Zelt für die Übernachtung aufstellen, treffen wir drei sehr sympathische junge welsche Radfahrer. Wir haben sie bereits bei unserem Jeepausflug nach Tavildara gekreuzt. Sie sind ebenfalls unterwegs in den Pamir. Als wir am nächsten Morgen knapp nach Tagesanbruch aufbrechen sind, sie noch nicht aufgestanden. Wir nehmen die Strasse zum ca. 1500 m höher gelegenen Khaburabot-Pass unter die Räder. Schon kurz nach Beginn der Fahrt sind wir überrascht, wie steil die Strasse streckenweise ist. Von letztem Jahr her hatten wir den Pass als relativ gut fahrbar in Erinnerung – nur hatten wir damals bereits ein paar Tausend Kilometer Weg und mehrere 10’000 Höhenmeter in den Beinen und waren an die Hitze gewohnt. Als wir nach etwa einem Drittel des Aufstiegs unsere dampfenden Körper an einem Bergbach abkühlen, ziehen unsere Landsgenossen in lockerem Tritt an uns vorbei. Zum Trost versichern sie uns ihre Bewunderung, dass wir in unserem Alter noch solche Reisen unternehmen.
Gegen Abend stehen dann auch wir auf dem Pass. Auf den 3250 m Höhe bläst ein ziemlich kühler Wind, so dass wir die Feier unseres Erfolgs kurz gestalten, uns warm anziehen und auf die Abfahrt machen. Kurz darauf versorgen wir uns an einem sauberen Bergbach noch mit Wasser, da das nächste Dorf etwa zwei Fahrstunden entfernt liegt. Als wir dann kurz darauf ein kleines ebenes Stücklein Wiese bei einem Bach entdecken, beschliessen wir spotan das Zelt aufzustellen und so endlich wieder mal eine kühle Nacht an einem idyllischen Ort zu verbringen.
Zelten in der Kühle des Khaburabot

Am nächsten Morgen tun wir als ob wir in den Ferien wären, nehmen uns ausführlich Zeit fürs Frühstück und machen uns mit betonter Langsamkeit an den Aufbruch. Nach der Anstrengung von gestern finden wir eine kleine Belohnung angebracht und zudem verspüren wir auch keine grosse Lust wieder in die Bruthitze des Tieflandes zurückzukehren. Gegen Mittag starten wir dann doch auf die Abfahrt ins Panj-Tal. Der Panj ist der Quellfluss des Amu Darya, aus der altgriechischen Geschichte bekannt unter dem Namen Oxus. Der Panj ist heute auf mehreren hundert Kilometern Grenzfluss zwischen Tadschikistan und Afghanistan. In Qala-i Khumb treffen wir auf den Fluss und von dort geht es 240 km talaufwärts nach Khorog, der Hauptstadt des Pamir. In diesem Talabschnitt verläuft der Fluss mehrheitlich in einer engen, wilden Schlucht umgeben von über 4000 m hohen schneebedeckten Bergen. Nur auf tadschikischer Seite hat es eine breitere Fahrstrasse, auf afghanischem Gebiet ist es ein Saumpfad der teilweise hoch hinauf in die Bergflanken führt, um die fast senkrecht ins Flussbett abfallenden zu umgehen. Es ist kaum vorstellbar wie in früheren Zeiten die griechischen Heerscharen auf ihrem Eroberungsfeldzug durch diese Gegenden zogen.
Auch für uns ist die Fahrt nach Khorog trotz Strasse kein Honiglecken. Wo die Strasse einst asphaltiert war, ist nur noch ein löcherübersäter Flickenteppich übriggeblieben. Die nichtasphaltierten Abschnitte sind teilweise sandig oder von grobem Schotter bedeckt. Und immer gehts rauf und runter, vor allem die Zufahrten zu den hoch über dem Fluss gelegenen Dörfer weisen giftige, kräfteraubende Steigungen auf. Ausser in Flussnähe, wo die reissenden Wasser des Panj die Luft ein wenig abkühlen, ist es drückend heiss. Dank der steilen Talwände gibt es glücklicherweise am Morgen und Abend längere Strassenabschnitte, die im Schatten liegen und so ein bisschen Milderung von der segnenden Sonne verschaffen. Wir schaffen diese Strecke in drei Etappen. Zwei Mal übernachten wir in Unterkünften, einmal davon in einem skurril anmutenden Motel mit Swimmingpool, das heute verlottert ist und nur noch ganz wenige, schmuddelige Zimmer anbietet. Zelten ist wegen der Topographie des Tales schwierig und auch etwas riskant, da die Strasse und das umgebende Gelände während dem tadschikischen Bürgerkrieg in den neunziger Jahren vermint wurde. Als wir neben einer schönen Wiese am Ufer des Panj zwei ältere Bauern sehen, bitten wir sie in unserem rudimentären Russisch um Erlaubnis, dort das Zelt aufzustellen. Spontan stimmen sie zu und bieten uns auch an, doch zu ihnen nach Hause zu kommen. Doch wir sind froh, in der Intimität unseres Stoffhauses übernachten zu können. Beim Aufstellen des Zeltes beteiligt sich einer der Männer mit grosser Geschicklichkeit und geht uns anschliessend noch Wasser aus einem sauberen Gebirgsbach holen. Dann erzählt er mir ein bisschen von seinem einfachen, aber gesunden Leben in dieser landschaftlich so wilden und wunderschönen Gegend, derweilen Rosa Maria das Nachtessen kocht (hic!).


Radeln entlang des Panj


Kornernte auf afghanischer Seite


Unser gastfreundlicher Bauer


Teehaus mit stolzer Besitzerin

In Khorog können wir wieder in einer uns vom Vorjahr bekannten Herberge logieren. Es ist kaum erklärbar, wie beglückend der relative Luxus eines anmachenden Zimmers, einer sauberen Toilette, einer Dusche und abwechslungsreichen Essens nach fast zehn Tagen „primitiven“ Lebens sein kann. Dieser Wechsel zwischen Entbehrungen und Erfüllung von einfachen Bedürfnissen macht sicher diese Art von Reisen so attraktiv und befriedigend für uns. Sogar kulturell kommen wir auf unsere Rechnung, findet doch in diesen Tagen in Khorog ein Festival mit Volksmusik der Bergvölker aus Tadschikistan und der umliegenden Länder statt.

Am Festival von Khorog

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