Duschanbe Khorog – Eindruecke Reto

Von Duschanbe nach Khorog gibt es zwei Verbindungen, die unterschiedlich lang sind. Die noerdliche Strecke ist ca, 550 km lang, fuehrt aber ueber einen 3250 m hohen Pass, und die Strasse ist schlechter. Die suedliche ist ueber 100 km laenger und verkehrsreicher, die Strasse jedoch besser. Die letzten ca. 250 km sind beiden Routen gemeinsam. Dieses letzte Stueck fuehrt dem Panj, dem Grenzfluss zwischen Tadschikistan und Afghanistan entlang. Der Panj ist der Oberlauf des beruehmten Amu Darya oder Oxus, den wir in Turkmenistan auf dem Weg nach Usbekistan ueberquert hatten. Wir entscheiden uns fuer die noerdliche Variante, da sie streckenweise wegen der Hoehe kuehler ist.

Die Pamir-Region mit der Hauptstadt Khorog ist sehr duenn besiedelt und stellt nur einen kleinen Anteil der Bevoelkerung Tadschikistans. In der Clan-gepraegten Politik Tadschikistans stellen die Pamiris keinen relevanten Machtfaktor dar. Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Strasse Richtung Khorog mit zunehmender Entfernung von Duschanbe schlechter wird. In juengerer Zeit wurden nur an den ersten 100 km der Strecke Verbesserungen vorgenommen, der Rest muss ohne bemerkenswerten Unterhalt auskommen. Quadratmetergrosse Schlagloecher werden in den Doerfern bestenfalls mit ein paar Steinen aufgefuellt. Der einst asphaltierte Belag zerbroeselt unter dem Gewicht der schweren Lastwagen foermlich. Von den steilen Talhaengen prasseln Felsbrocken auf die Strasse und richten zusaetzliche Zerstoerung an. Teile der noch asphaltierten Abschnitte werden in der Hitze so weich, dass sogar die Veloraeder einsinken.

Velofahren auf solchen Strassen kann sehr anstrengend und entnervend sein. Die an sich schon abrupten Steigungen werden durch die Schlagloecher oder den sandigen Belag noch kraefteraubender. Die Abfahrten, die fuer die Strapazen des Aufstiegs eine Entschaedigung sein sollten, geben die gewonnene potentielle Energie hauptsaechlich in Form von Schlaegen zurueck. Viele der Autofahrer nehmen auf der Suche nach der idealen Fahrlinie durch die Loecherwueste die ganze Strassenbreite fuer sich in Anspruch und erwarten, dass ihnen die schwaecheren Verkehrsteilnehmer fluchtartig Platz machen. Der aufgewirbelte Staub fuellt die Lungen, reizt die Augen und klebt auf der verschwitzen Haut und den nassen Kleidern. Die hundert mal zerstoerte Hoffnung, dass ein besserer Abschnitt etwas laenger andauern werde, erzeugt in mir eine Mischung aus Wut und Verzweiflung. Aber dann kommt immer wieder die Einsicht, dass ich freiwillig hier bin und die widrigen Bedingungen ein Teil des Abenteuers ausmachen und dass am Ende die Freude, es geschafft zu haben, die bleibende Erinnerung sein wird.

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Aus unserem Reisefuehrer wissen wir, dass die tadschikische Seite des Grenzgebietes zwischen Tadschikistan und Afghanistan vermint wurde. Die Raeumungsarbeiten sind immer noch im Gange und auf unserem Weg dem Grenzfluss Panj entlang machen Hinweistafeln auf die Gefahr aufmerksam. Auf unserem Weg treffen wir auf eine Raeumungsequipe, welche eine mehrere Hektar grosse Geroellhalde seitlich der Strasse mit Detektoren nach Minen absucht. In muehsamer Kleinstarbeit suchen die nur im Bereich ihres Oberkoerpers geschuetzten Maenner die parzellierte Flaeche systematisch nach Sprengkoerpern ab. Mit einigem Stolz nehmen wir zur Kenntnis, dass die Arbeit durch eine schweizerische nichtstaatliche Organistation FSD (Fondation Suisse de Déminage) unterstuetzt wird.

Fuer uns bedeutet die Verminung vor allem, dass wir die Strasse ausserhalb der Doerfer nicht verlassen duerfen und somit die Moeglichkeiten zu zelten fast gleich Null sind. Die einzige Zeltuebernachtung am Strand des Panj, mit Aussicht auf die afghanische Seite, war denn auch auf dem Gelaende einer Chaikhona. Das tat jedoch der Idylle kaum Abbruch,

Vor laengerer Zeit sahen Rosa Maria und ich einen Diavortrag eines Radreisenden, der diese Region Zentralasiens besucht hatte. Einer der bleibenden Eindruecke waren seine Bilder von der Fahrt entlang dem Grenzfluss zwischen Tadschikistan und Afghanistan. Damals kamen in mir wehmuetige Erinnerungen an eine Afghanistanreise Anfangs der siebziger Jahre hoch. Afghanistan war das aermste und rueckstaendigste Land, das ich damals besuchte, aber die Kargheit seiner Landschaft und der Stolz seiner Bewohner machten es zu einem der Laender, die ich am liebsten wieder besuchen moechte. Als wir nun nach der durch wilde Schluchten fuehrenden Abfahrt vom 2000 Meter hoeher gelegenen Khaburabot-Pass in Kalaikum anlangen und auf der gegenueberliegenden Seite des Panj Afghanistan sehen, schlaegt mein Herz deutlich hoeher. Die Schroffheit der Landschaft entspricht meinen Erinnerungen, auch wenn im engen Tal des Panj nur fast senkrechte Felswaende zu sehen sind. Auf der mehrtaegigen Fahrt nach Khorog oeffnet sich das Tal ab und zu ein wenig, und auf der anderen Seite des Flusses zeigen sich oasenartige, afghanische Doerfer, die sich mit ihrem intensiven Gruen von den braeunlichen Felsen abheben. Wir sehen Leute, die auf den Feldern arbeiten, und am Fluss Kinder, die baden, oder Frauen, die waschen, und wir hoeren Laute von Eseln oder Kuehen. Ab und zu winkt man sich ueber den Fluss hinweg zu.

Das Geheimnisvolle und mit der Zeit fast Obsessive ist ein schmaler Pfad auf afghanischer Seite. Er begleitet unsere Strasse unablaessig – mal auf dem Niveau des Flussufers, mal hoch in den Felsklippen. Selten sehen wir auf dem Pfad eine kleine, schwerbeladene Eselskarawane vorbeiziehen. Was diese wohl zu den isolierten Doerfern transportieren?

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