Auf dem Sprungbrett nach Zentralasien

Die Rückfahrt von Masuleh nach Rasht ist eine Plauschfahrt. Auf den rund 80 km geht es fast 800 m runter und so können wir uns den Wind um die Ohren sausen lassen. In Rasht angekommen, müssen wir noch vor den islamischen Festtagen Geld wechseln, und dann nehmen wir den nächsten Bus nach Qazvin. Das reservierte Hotel beziehen wir schon gar nicht, da sich dessen Inhaber so herablassend verhält, dass mir der Kragen platzt. Aus Not müssen wir dann in eine Hotelklasse wechseln, die nicht ganz in unser Budget passt. Dafür hilft uns zum ersten Mal auf unserer Reise jemand bei Herauftragen unseres umfangreichen Gepäcks ins Zimmer. Und als wir ihnen am nächsten Tag mitteilen, dass wir aus finanziellen Gründen ausziehen müssten, offerieren sie uns grosszügig die weitere Benutzung des Internetanschlusses ihres Hotels. Ein Angebot, das wir gerne annehmen, umso mehr als wir bei jedem kommenden Besuch herzlich begrüsst wurden. Ob es so etwas in der Schweiz auch gibt?
Qazvin bietet nicht sehr viel, aber die Stadt ist ein guter Ausgangspunkt für das Alamuttal. Dort liegen die Burgen der Assassinen. Die Assassinen waren im 12. Jahrhundert so berüchtigt und gefürchtet, dass Kunde von ihnen bis nach Europa drang und ihr Name in mehreren Sprachen Synonym für das Wort „Mörder“ wurde. Die Assassinen waren eine islamische Sekte, und die schwer zugänglichen Burgen in den schroffen Bergen waren wahrscheinlich eher Zufluchtsort vor Verfolgung, als Mördernester. Die legendenumwobenen Geschichten über die Assassinen hatten es uns angetan, und wir beschlossen, die Überreste ihrer Heimstätten zu besuchen. Ursprünglich wollten wir sie per Velo besuchen. Dann stellten wir jedoch fest, dass wir die Beantragung unseres Visums für Turkmenistan etwas verschlafen hatten. Unser iranisches Visum läuft in etwas mehr als 2 Wochen aus und wir müssen bis dann das Visum beschaffen und in den Osten Irans reisen. So reduzieren wir unseren Besuch auf einen Tag und fahren mit einem Taxi zu den Burgen der Bösewichte. Deren Lage ist auch heute noch sehr beeindruckend, von ihrer Grösse und raffinierten Bautechnik kann man sich jedoch nur noch anhand der Informationstafeln ein ungefähres Bild machen. Auch die Fahrt durch die wilde Landschaft des Alamuttales gefällt uns, passt sie doch zu den unglaublichen Geschichten über die Assassinen.
Am übernächsten Tag nehmen wir den Bus und fahren etwa 16 Stunden bis nach Mashad im Osten Irans. Auf dem Weg nach Mashad durchqueren wir zum zweiten Mal auf unserer Reise per Bus den Verkehrsmoloch Teheran. Die Stadt ist innert kurzer Zeit auf 17 Millionen Einwohner angewachsen und wird vom überbordenden Strassenverkehr im engsten Würgegriff gehalten. Dabei ist es nicht nur das Verkehrsaufkommen, sondern auch das Verhalten der Fahrer, welches das Chaos verursacht. So liebe Leute die Iraner auch sind; als Fahrer eines motorisierten Vehikels mutieren die meisten von ihnen zu unberechenbaren, verantwortungslosen Kämpfern. Verkehrsregeln sind reine Makulatur und werden von der Polizei kaum durchgesetzt. Rotlichter werden missachtet, es wird in der falschen Fahrrichtung gefahren, Nachts wird das Licht nicht eingeschaltet, mitten im grössten Verkehr wird auf der Strasse angehalten oder auf die Gegenfahrbahn gewechselt. Vor allem für die zahlreichen Motorradfahrer zählt nur das eigene schnelle Vorwärtskommen. In halsbrecherischem Tempo schlängeln sie sich durch die Autos, man fährt auf der Strassenseite, wo es einem passt, Trottoirs werden befahren und die Fussgänger rücksichtslos vertrieben. Kinder im Alter von zehn, zwölf Jahren fahren Motorrad, bis zu vier Erwachsene hocken drauf. Und all das wird durch das immense Verkehrsaufkommen und die Hektik in Teheran noch potenziert.
Mashad ist eine der heiligen Städte Irans, da hier nach schiitischer Überzeugung einer der Nachfolger des Propheten Mohammed begraben ist. Wir sind jedoch weniger auf’s Pilgern aus als auf den Besuch des sich hier befindlichen turkmenische Konsulates. So machen wir uns auch gleich nach unserer frühmorgendlichen Ankunft in Begleitung unseres Gastwirtes zum Besuch des Konsulates auf. Die Abfertigung der Besucher erfolgt über einen strassenseitigen Schalter der durch einen Glasvorbau geschützt ist. Ein Zettel an der Scheibe kündigt an, dass das Konsulat heute aus technischen Gründen geschlossen ist. Als Alternativprogramm gehen wir dann doch zum heiligen Schrein, der sich inmitten eines riesigen, abgeschlossenen Bezirks von Moscheen und Gebäuden für die Pilgerbetreuung befindet. Zum Betreten des Bezirks müssen wir unsere Rucksäcke deponieren und werden in unterschiedlichen Gebäuden getrennt nach Geschlecht einer Sicherheitskontrolle unterzogen. Ich komme zügig durch die Kontrolle ins Innere des Bezirks und warte bis Rosa Maria aus ihrem Gebäude kommt. Nach langem Warten kommt ein Wärter auf mich zu und bedeutet mir, wieder nach draussen zu kommen. Dort werde ich von Rosa Maria erwartet, die ebenfalls von zwei Wächtern begleitet wird. Es stellt sich heraus, dass sie bereits zum Betreten des äusseren Bezirks einen Tschador benötigt, und nicht erst zum Besuch des heiligen Schreins. Nach einigem Herumtelefonieren werden wir in ein weiteres Gebäude geführt und Rosa Maria wird mit einem Tschador versorgt. Dieser besteht in seiner einfachen Ausführung aus einem grossen rechteckigen Tuch, das den Kopf bedeckt und den Körper umhüllt. Das Tragen dieses Kleidungsstücks stellt sich jedoch bald als tückenhaftes Unternehmen heraus. Mal rutscht es vom Kopf und gibt die Haare frei, dann ist der Körper ungenügend bedeckt, dann tritt man auf den eigenen Tschador. Nervös versuchen wir mit dem rutschigen Tuch eine regelkonforme Verhüllung von Rosa Maria hinzubekommen, sind jedoch nur für kurze Momente erfolgreich. Doch dann gesellen sich zwei junge Frauen zu uns. Sie sind vom „Institut für islamische Beziehungen und ausländische Pilger“. Sie wurden nach unserem ersten erfolglosen Betreten des Bezirks ebenfalls aufgeboten und werden uns auf unserem Besuch begleiten und in Fragen Tschador tragen beraten. Die ganze Anlage ist schon durch ihre schiere Gösse beeindruckend. Auf verschiedenen riesigen Höfen, umgeben von reichverzierten Moscheen und Wandelgängen, halten sich Massen von Pilgern auf. Der Zutritt zum heiligen Schrein wurde dann Rosa Maria von ihren Begleiterinnen doch nicht erlaubt, während ich mich mit kurzärmligem Leibchen und Teva-Sandalen unbehindert darin bewegen konnte.
Am nächsten Tag klappt es dann auf dem Konsulat und wir können unseren Antrag deponieren. Wir hängen nun von der Erlaubnis der turkmenischen Regierung in Ashgabad und der Laune des hiesigen Konsuls ab. Sie werden entscheiden ob wir nach Turkmenistan dürfen und wie lange wir für die Durchreise im Land bleiben dürfen. Mit einem Maximum von fünf Tagen für knapp 500 km durch die Wüste wird es so oder so knapp. Bei unserer Rückkehr in unsere Herberge treffen wir auf Bekannte. Nick und Nicole aus der Schweiz die wir in Esfahan getroffen haben sind ebenfalls in Mashhad eingetroffen. Im Gegensatz zu uns, haben sie die ganze Fahrt durch die Wüste mit eigener Kraft bewältigt!
Die bisherige Wartezeit in Mashad haben wir bis jetzt hauptsächlich genutzt, um den riesigen Rückstand bei der Aktualisierung unseres Blogs zu verkleinern.


Reisfelder vor Qazvin


Moschee von Qazvin


Kräuterverkäuferin am Strassenrand


Alamuttal


Überreste einer Assassinenburg


Überreste einer Assassinenburg


Alamuttal


Alamuttal

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