Vom Land in die Grossstadt

Nach drei Tagen Hochzeit, war ich nicht unglücklich weiterzufahren. Doch bevor es soweit ist, werden mit den Mitgliedern der Gastfamilie und den Nachbarn Abschiedsfotos in unterschiedlichen personellen Zusammenstellungen gemacht und unser Proviant wird aufgestockt. Dann folgt noch ein letzter Versuch uns umzustimmen und unsere Weiterreise doch ein paar Tage aufzuschieben.


Iman, der jüngste Sohn unseres Gastgebers


Gastgeberfamilie und Bräutigam (zweiter von rechts)


Treue Begleiterinnen von Rosa Maria

Nach Yanaqi wird die Strasse langsam steiler und wir gelangen wieder in kühlere Höhenlagen. Am Ende einer langen Steigung hält vor uns ein alter Kastenwagen an, und der Fahrer steigt aus. Wir denken schon, er will uns auffordern unsere Räder einzuladen, was jedoch angesichts der kleinen Ladeluke eine Totalzerlegung unserer Rädern voraussetzten würde. Doch er öffnet nur wortlos die Luke, greift hinein und offeriert jedem von uns ein Stängeliglacé. Als er schon am Einsteigen ist, kommt er zum Schluss, dass die offerierte Kühlung für unsere dampfenden Körper nicht ausreichend ist und holt zwei weitere Eis aus seinem Kasten.
Ein paar Kilometer weiter überholt uns ein Auto und der Fahrer fordert uns zum Anhalten auf. Er deutet auf ein paar Zelte in der Ferne und gibt uns zu verstehen, dass dort in Kürze ein Fest mit lokaler Folkloremusik stattfinden werde, an dem wir unbedingt teilnehmen müssten. Erst nach langer Zeit sieht er ein, dass uns im Moment nicht nach Festen ist und wir weiterfahren möchten.
Nach der Einmündung einer wichtigen Strasse nach Esfahan wird der Verkehr dichter, mit vielen grossen Lastwagen. Gleichzeitig geht es jetzt in kurzer Reihenfolge rauf und runter. Nach einer Strassenbiegung stehen wir vor einem unbeleuchteten Tunnel. Wir haben keine Ahnung wie lang er ist, und Umfahrungsmöglichkeiten sehen wir keine. Aufgrund früherer Erfahrungen beschliessen wir, jemanden zu finden, der uns mitsamt den Velos durch den Tunnel bringt. Schon nach kurzer Zeit hält ein kleiner Lieferwagen, der in die Gegenrichtung fährt. Nach einigen Verständigungsschwierigkeiten erfassen die Insassen des Wagens unser Anliegen, kehren ihr Fahrzeug, helfen uns beim Aufladen der Räder und fahren uns zum anderen Ende des Tunnels.
Am Nachmittag wird das Wetter schlechter und der Wind bläst uns kräftig ins Gesicht. Dieses Wettermuster wird uns auch in den folgenden Tagen begleiten und uns das Fahren kräftig erschweren. Am folgenden Tag sind dann die Böen so stark, dass Rosa Maria von der Strasse abkommt und in einem Seitengraben landet. Im Moment ist sie zwar kräftig erschrocken, hat jedoch glücklicherweise keine offensichtlichen Blessuren. Die in den folgenden Tagen aufkommenden Schmerzen am Brustkasten zeigen jedoch, dass der Sturz nicht ganz harmlos war.


Erste Übernachtung nach Hochzeitsfeier

Am Nachmittag des zweiten Reisetags stellt sich prompt nach Mittag wieder der starke Wind ein. Zusätzlich ziehen dunkle Regenwolken auf. Unser ursrüngliches Reiseziel Shar e Cord lassen wir fallen, da der Wind genau aus dieser Richtung bläst. Auch die Weiterfahrt auf direktem Weg nach Esfahan ist unter den gegebenen Bedingungen nicht besonders verlockend – sie würde uns gemäss Karte über einen 2800 m hohen Pass führen. So beschliessen wir kurzfristig einen Ort für unser Zelt zu finden. Wir befinden uns zwischen einer Raststätte für Überlandbusse und einem Samariterposten. Vor der Raststätte hat es ein paar Pavillons, die uns ein bisschen Schutz vor einem eventuellen Unwetter bieten könnten. Rosa Maria fragt beim Samariterposten um Erlaubnis, unter einem der Pavillons unser Zelt aufzustellen. Der erste Samariter verweist uns ans Hotel. Als wir uns auf den Weg machen, erscheint ein zweiter Samariter und bietet uns an, in einen zum Samaritterposten gehörenden Container einzuziehen. Gerne nehmen wir das Angebot an. Wir werden mit Essen aus den Notvorräten des Postens versorgt und richten uns häuslich ein. Nach ein paar Stunden erscheint ein dritter Samariter und erklärt uns, dass wir wieder ausziehen müssten, da der Container für andere Personen benötigt würde. Diesmal hilft uns der Manager der Raststätte aus der Patsche und bietet uns an, in einer Wohnung im Obergeschoss des Restaurants zu übernachten. Gleichzeitig organisiert er uns auch einen abschliessbaren Raum für die Velos. Geschützt von Wind und Regen verbringen wir eine ruhige Nacht.


Unsere vermeintliche Bleibe im Container der Samariter


unsere definitive Bleibe in der Wohnung der Raststätte

Als wir am nächsten Morgen weiterfahren, stellt sich bald heraus, dass der gefürchtete Pass eine Fehlinformation der Karte ist. Wir gelangen zügig in die nächste Stadt und fahren von dort mit einem Bus in die Zweimillionenstadt Esfahan.
Esfahan ist wohl die attraktivste Stadt für Touristen im Iran. In den letzten 1000 Jahren war sie zwei Mal Hauptstadt und weist daher viele attraktive Bauwerke und Gartenanlagen auf. Ein Fluss, der zur Zeit unseres Besuch leider ausgetrocknet ist, teilt die Stadt und wird von mehreren alten Brücken überquert. Viele Strassen des Stadtkerns sind als Alleen gestaltet und machen so den dichten Verkehr etwas erträglicher. Es gibt sogar ein paar wenige Radwege in der Stadt. Wir geniessen das Stadtleben, promenieren mit unseren Fahrrädern im Bazar und bauen mit wunderbarer Safranglace unsere Fettpolster wieder auf.
Neben dem obligaten Besuch der Sehenswürdigkeiten, steht für mich noch ein Besuch des Zahnarzts auf dem Programm. Zehn Tage zuvor hatte ich beim Genuss von hausgemachter Kirschenkonfitüre auf einen versteckten Stein gebissen und mir dabei einen Stockzahn bis auf die Wurzel gespalten. Glücklicherweise ist der Ehemann einer Dame des Tourismusbüros der Stadt Zahnchirurg und kann mich bei meiner Suche nach Hilfe gleich an die richtige Adresse weiterleiten. Am selben Abend erklärt sich der Zahnarzt nach einer kurzen Konsultation bereit, seinen kommenden freien Tag zu opfern und meinen Zahn provisorisch zu reparieren. Am nächsten Morgen, nach zweieinhalb Stunden mit aufgesperrtem Mund, ist mein Zahn wieder einsatzbereit. Den bescheidenen Kostenvoranschlag von 178 $ rundet der Arzt noch auf 150 $ ab und lässt mich dann springen. So liegen noch ein paar zusätzliche Portionen Safraneis drin. Am gleichen Tag treffen wir an unterschiedlichen Orten auf zwei Paare von Schweizer Velofahrern, die es aus eigener Kraft aus der Heimat bis Esfahan geschafft haben. Es sind Nicole und Nik aus Chur und Brigitte und Klemens aus dem Bernbiet. Für die Weiterfahrt durch Zentralasien haben sie ähnlich Pläne wie wir. Vielleicht sieht man sich wieder …


Saffraneis mit Rosenwasser


Sheikh Lotfollah Moschee am Naqsh-e Jahan Platz


Ali Qapu Palast
am Naqsh-e Jahan Platz

Weitere Fotos von Esfahan

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