Fahrt durch die Wüste

Am 1. Mai verabschieden wir uns von Yazd. Das erste Stück fahren wir auf der Autobahn Richtung Norden. Vor lauter Lastwagen realisiert man kaum, dass es mitten durch die Wüste geht. Da wir aber bald darauf Richtung Osten von der Autobahn abbiegen wollen und es nachher für eine lange Strecke keine Siedlungen mehr gibt, müssen wir unsere Vorräte an Essen und vor allem an Trinken aufstocken. So halten wir an einer Tankstelle, wo es auch noch einen Laden hat. Vor dem Laden ist eine grosse Menge Ramsch ausgestellt und wir fragen uns, ob je ein Lastwagenfahrer das Bedürfnis hat, mitten in der Wüste einen dieser Artikel zu kaufen. Als wir jedoch ins Innere des Ladens kommen, merken wir, dass der Laden fast alles hat was unser Herz begehrt. Zu unserem grossen Entzücken finden wir sogar Hafernüssli, ein ehrwürdiger Ersatz für die im Iran so raren Haferflocken. Bei dem Riesenangebot verfallen wir in einen wahren Kaufrausch. Vollbepackt mit Hafernüssli und anderen – zum Glück weniger voluminösen Anschaffungen – fahren wir weiter. Bald darauf geht’s dann von der Autobahn ab und wir fahren auf einer einsamen Strasse Richtung Tabas an der afghanischen Grenze. Ziel ist die Ortschaft Kharanak, wo es einen malerischen Ortsteil mit Lehmbauten haben soll. Als wir dann am späteren Nachmittag dort eintreffen, sind wir schon so müde, dass sich unsere Besichtigung auf einen kurzen Augenschein beschränkt. Wir denken schon viel mehr an die Suche eines geeigneten Platzes für unser Nachtlager.
Bei der Rückkehr in den neueren Ortsteil treffen wir einen jungen Franzosen mit Velo, die zweite Begegnung mit ausländischen Radreisenden im Iran.
Am nächsten Tag setzten wir unsere Fahrt nach Chak Chak fort. Dort liegt der wichtigste Wallfahrtsort der wenigen weltweit übrig gebliebenen Zoroaster. Der Zoroastrismus war vor der Islamisierung die Hauptreligion Irans. Diese Religion zeichnet sich unter anderem durch hohen Respekt vor der Umwelt aus und das Feuer wird hoch verehrt. Von unserer Reise nach Georgien wusste ich, dass die dort lebenden Zoroaster die christliche Missionierung durch syrische Mönche friedlich hinnahmen, bis deren Anführer meinte, eines ihrer ewig brennenden Tempelfeuer auslöschen zu müssen. Diese wenig einfühlsame Idee bezahlte der Mönch mit seinem Leben. Die Suche Chak Chak’s, das abseits der Strasse liegt, gestaltet sich dann aber über Erwarten schwierig und wir irren über Feldwege, bis uns dann ein töfffahrender Hirte auf den richtigen Weg zurückführt. Das Dorf, hoch in einer steilen Felswand gelegen, ist dann aber aus der Distanz gesehen nichts besonderes, und wir beschliessen, uns den Aufstieg zu ersparen.
Von Chak Chak aus fahren wir auf einer langsam abfallenden Stecke zügig zur Autobahn von Yazd Richtung Norden zurück. Die auf der Karte parallel dazu eingezeichnete Naturstrasse finden wir nicht und so beissen wir in den sauren Apfel und lassen uns wieder von den nordwärts fahrenden Lastwagen einnebeln. Viele der Fahrer scheinen sich über die Begegnung mit uns zu freuen und bezeugen dies mit einem Hupkonzert. Ab und zu wird die Hupe jedoch auch für ihren eigentlichen Zweck eingesetzt, nämlich um uns von der asphaltierten Fahrbahn auf den unbefestigten Pannenstreifen zu verdrängen, weil diese für ein Überholmanöver gebraucht wird. Da wir über keine Rückspiegel verfügen, zerrt diese Unsicherheit, wie die Hupsignale zu interpretieren sind, mit der Zeit ganz schön an den Nerven.
Als kleine Entschädigung entdecken wir dann zu unserer grossen Freude eine kleine Herde Kamele, die unbegleitet durch die Wüste marschiert. In meiner Vorstellung ist eine Wüste ohne Kamele nur eine halbe Wüste. Derart neu motiviert geht’s weiter. Zur Krönung gelangen wir dann auch noch zu einer ziemlich intakten Karawanserei, die verlassen am Strassenrand liegt. Abgesehen von Verkehr und Autobahn kommt so schon fast ein Karl May Feeling auf. Bei der zweiten Karawanserei mit dem schönen Namen Now Gonbad machen wir dann Halt. Den einzigen Bewohner, einen reichlich schrulligen alten Mann, fragen wir um die Erlaubnis in seinem Garten zu zelten. Er lässt uns am Rande eines Teiches, der aus einer unerklärlichen Quelle gespiesen wird, unser Zelt aufstellen. Die Idylle wird leicht gestört durch eine Unmenge von abgefahrenen Lastwagenpneus, die als Umrandung seines Gartens dienen. Auch der leicht irre Polizist, der beim Einnachten auftaucht und uns nach Waffen abtastet, passt nicht ganz ins romantische Bild.
Am nächsten Morgen geht’s wie gehabt auf der Autobahn Richtung Isfahan weiter. Bei Nain biegt die Strasse nach Osten ab und von dort her kommt auch ein zunehmend stärkerer Wind. Irgendwann wird er so stark, dass wir kaum noch vorwärts kommen und einen gefährlichen Slalomkurs fahren. Rosa Maria leidet zudem erheblich und findet, dass sich Velohosen und Sattel gegen sie verschworen haben. Bei einer unserer vielen Verschnaufpausen wird dann glücklicherweise ein Schreiner mit seinem Pick-Up auf unser Leiden aufmerksam. Er lädt uns ein, unserer Räder auf die auf der Ladefläche liegenden Türen zu legen. Loblieder auf das schöne Isfahan singend fährt er uns bis zu unserem Ziel Tudeshq, 100 km vor Isfahan.
In Tudeshq betreibt Mohammad eine kleine Herberge. Er erzählt uns, dass er schon als Junge die damals noch häufiger vorkommenden Radreisenden bewundert habe und sie mit seinen damals noch kaum vorhandenen Englischkenntnissen angesprochen habe. Als er dann erwachsen wurde, machte er aus seinem Hobby ein kleines Geschäft und eröffnete eine Herberge. Den Kundenkreis musste er gezwungenermassen auch auf andere Reisende ausdehnen, um überleben zu können. Ein Teil seiner Familie wurde auch noch ins Geschäft involviert und so kann sich jetzt Mohammad hauptsächlich als philosophierender Gastgeber und als Führer für Ausflüge im Dorf und in die umgebende Wüste profilieren.
Auch wir machen von seinem Dienstleistungsangebot Gebrauch und fahren am nächsten Tag mit ihm zu einem grösseren Gebiet mit Sanddünen. Die Grösse und die eleganten Formen dieser Hügel faszinieren, und mit nackten Füssen im warmen Sand der Dünen zu kraxeln ist sehr sinnlich.


Kharanak


Rastplatz in der Wueste: Wasserstelle mit Windturm


Idyllischer Kochplatz in der Karawanserei von Nov Gonbad


im Guesthouse von Mohamad in Tudeshq

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