Mor Gabriel

Den nächsten Tag aktivieren wir unsere Räder und fahren zu zwei der in der Umgebung von Midyat liegenden aramäischen Klöstern. Die Aramäer wurden wie die Armenier am Anfang des letzten Jahrhunderts durch die Türken verfolgt und ermordet. Die Überlebenden sind zum grössten Teil aus ihren ehemaligem Siedlungsgebieten in der Türkei ins Ausland geflohen. Sie waren mehrheitlich orthodoxe oder katholische Christen und hatten eine eigene Sprache und ein eigenes Alphabet. Sie besassen viele Klöster im Südosten von Anatolien. Wahrscheinlich eines der grössten und schönsten, Mor Gabriel (s. Wikipedia «Mor Gabriel») wurde in den letzten Jahren renoviert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Das Kloster liegt in einer kargen aber sehr reizvollen Hügellandschaft, wo nur kleine Flächen ausreichend bewässert sind, um überhaupt landwirtschaftlich genutzt werden zu können. Heute sind in Mor Gabriel nur noch ein Bischof, sowie ein paar Nonnen und Mönche ansässig. Da wir erst kurz vor der Mittagpause des Wachpersonals eintreffen, ist unser Rundgang auf wenige Teile der Anlage beschränkt – der Eindruck ist dennoch tief.

Unterwegs zum Kloster Mor Gabriel

Mor Gabriel

Im Anschluss fahren wir noch ein paar Kilometer weiter zu einem Kloster, das am Rande eines kleinen Dorfes liegt. Dieses Kloster ist im Gegensatz zu Mor Gabriel nicht renoviert und auch nicht mehr genutzt. Ein paar Jugendliche können uns Zugang zu dem verschlossenen Gebäude verschaffen. Am Interessantesten war dann aber für mich nicht das verfallene Kloster selbst, sondern die Aussicht von dessen Dach, der uns Einblicke in die Innenhöfe der traditionellen Häuser der Nachbarschaft verschaffte.

Midyat selbst besitzt eine hübsche Altstadt mit vielen verwinkelten Gässchen. Der überwiegende, neuere Teil der Stadt ist jedoch ein grauenhaftes Konglomerat von Gebäuden, die über mehrere Kilometer entlang der Hauptverkehrsstrasse stehen, und die trotz ihres jüngeren Baudatums schon arg am Zerfallen sind. Seien es Siedlungen oder Strassen, man hat in Südostanatolien den Eindruck, dass Land ein unbeschränktes Gut sei.

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