Abruptes Ende unserer Fahrt durch die Provinz Kerman

Nach einem deftigen Frühstück mit einer dicken Haferschleimsuppe fahren wir aus der Stadt Shahrebabak heraus, immer auf die Sonne zu nach Osten. Erst lang und langweilig in der eintönigen Ebene, dann langsam steigend auf die Höhe von Meymand, welches auf ca. 2250 m.ü.M. liegt, d.h. wir müssen ca. 500 Höhenmeter bewältigen, was bei der schon recht grossen Hitze für mich schwierig ist. Ausserdem ist mir schon den ganzen Vormittag über halb schlecht. Obwohl Meymand eine Sackgasse ist und wir die ca. 10 km wieder werden zurückfahren müssen, will ich nicht aufgeben. Ich möchte wissen, wie es für mich ist, eine relativ grosse Anstrengung unter diesen Umständen auf mich zu nehmen. Und ich habe es geschafft. Das ist eine gute Erfahrung für mich. Doch der Ort selber wäre es nicht der Mühe wert gewesen. In Kappadokien haben wir viel schönere solcher Felsendörfer gesehen. Im Ort hat es viele iranische Ausflügler, da es Freitag (d.h. für sie arbeitsfrei) ist. Neugierig werden wir wahrgenommen. Ein Mann bringt uns eine Büchse voll köstlicher Pistazien aus Rafsanjan. Wir erfahren, dass dort die besten Pistazien wachsen.
Wir sind müde, trinken eine grosse Flasche kühle Orangenlimonade und verlassen das Dorf wieder. Auf dem Rückweg kommt uns der Lehrer der Schülerinnen aus Pasargard im Auto entgegen. Er und seine Frau laden uns zu Tee, Früchten und Guetzli unter einem Baum ein. Sie können oder wollen nicht verstehen, dass wir im Zelt und nicht bei ihnen übernachten wollen. Er schlägt vor, dass er die restlichen 80 km zu ihrem Dorf langsam im Auto vorausfährt, so dass wir ihm mit den Velos folgen können. Sie nehmen unsere Ablehnung einfach nicht an. Da beide sehr wenig Englisch sprechen, ist die Verständigung schwierig. Wir hoffen, dass sie uns bald verlieren, doch sie warten immer wieder am Strassenrand auf uns. Eigentlich wollten wir auf einer Nebenstrasse über Purkan weiterfahren. Doch der Lehrer überrumpelt uns und leitet uns zurück auf die Strasse Richtung Westen bis kurz vor Shahrebabak, wo wir am Morgen gestartet sind. Die andere Strasse sei nicht asphaltiert, was ich fast nicht glauben kann. Nach ca. 50 km kommen wir endlich in die Nähe eines Dorfes. Wir wollen in Khatunabad Wasser und Gemüse kaufen und bald einen Platz fürs Zelt suchen. Doch am Dorfeingang stoppt uns die Polizei und zwingt uns mit rüden Gesten zum Umkehren.  Wir verstehen nicht, warum. Wir haben keine andere Wahl als nachzugeben und umzukehren. Bei der Tankstelle am anderen Dorfrand zweigen wir wieder ab. Wir wollen mindestens unseren Wassersack füllen. Doch schon hat uns die Polizei entdeckt und schickt uns wieder fort. Wasser können wir laut protestierend doch noch auffüllen. Wir machen uns wieder auf den Weg. Ich möchte mich irgendwo so schnell als möglich in unser Zelt verkriechen können und schlafen. Kaum sind wir auf der Autostrasse, überholt und stoppt uns die unfreundliche Streife wieder, diesmal zusammen mit einem Pickup, auf welchen wir dann wenig später samt unseren Velos verfrachtet werden. All diese Aktionen beobachten der Lehrer und seine Frau aus kleiner Distanz. Wir wissen nicht, was ihre Rolle ist: ob sie die Polizei auf uns aufmerksam gemacht haben oder ob sie vermitteln wollen. Klar ist, dass uns das Weiterfahren mit dem Velo und das Übernachten im Zelt hier verboten ist. Die Polizisten erwarten wohl, dass wir nun ins Dorf des Lehrers transportiert werden. In der Abenddämmerung überqueren wir den Bergzug zwischen Sirjan und Rafsanjan. Obwohl es sehr anstrengend gewesen wäre, tut es uns leid, dass wir in dieser schönen und eindrücklichen Gebirgslandschaft nicht Velofahren können. Allerdings wird die Schönheit durch riesige Kupferminen getrübt. Fast apokalyptisch wirken die rauchenden Kaminschlote und die Fabriken. Als uns die Fahrer fragen, ob wir hier aussteigen oder bis zur nächsten grossen Stadt mitkommen wollen, fällt uns die Antwort leicht. Inzwischen ist es auf der Brücke neben den Velos empfindlich kühl geworden. In Rafsanjan kommen wir an, als es schon dunkel ist. Am Strassenrand neben einem Park beladen wir die Velos wieder und machen uns auf die Suche nach einem Hotel. Wir haben Glück und finden für 40$ ein wirklich gutes modernes Hotel, das wahrscheinlich von einer staatlichen Tourismusorganisation geführt wird. Kaum haben wir unser Gepäck ins Zimmer gebracht, wird Reto zur Reception gebeten. Die Polizei hat offensichtlich bereits Kunde von unserer Ankunft in der Stadt bekommen und will unsere Pläne bezüglich Weiterreise erfahren. Vorläufig verzichten wir wohl besser aufs Velofahren und Campieren.
Unser Zimmer ist gross und sauber, auch das Bad. Wir haben sogar eine Klimaanlage! Da wir uns hier gerne ein wenig verwöhnen wollen, bleiben wir zwei Tage. Von der Stadt selber sehen wir nur wenig. Wir fahren zwar über 20 km in der Stadt herum und suchen ausser dem Busterminal ein Internetcafe, doch werden wir aus der Stadt nicht recht schlau. Wir haben den Eindruck, dass wir uns in einer Grossstadt immer nur an der Peripherie bewegen (so wie wenn man von Zürich nur Altstetten sähe). Am zweiten Abend finden wir dann endlich das Coffeenet – so sagen sie hier den Lokalen mit Internet-PCs. Nach kurzer Zeit schon lädt uns der Besitzer, ein sehr dünner, älterer, eleganter Mann zum Abendessen ein. Er wohne im gleichen Gebäude und wir könnten dort auch schlafen. Wir nehmen die Einladung zum Essen an, in der Meinung, dass das Nachtessen bereit ist, wenn der Mann am Feierabend nachhause kommt. Doch dann erfahren wir, dass seine Frau nicht zuhause ist und dass er seine Schwester gebeten hat, für uns zu kochen. Er selber hilft tatkräftig in der Küche mit. Die Wohnung ist gross und schön eingerichtet. Das Wohn- und Esszimmer ist riesig im Vergleich zu unseren Verhältnissen. Inzwischen ist auch seine halberwachsene Tochter zusammen mit einer Freundin nachhause gekommen. Sie spricht recht gut englisch, und so können wir uns über sie ein wenig unterhalten. Von ihrem Vater hören wir, dass sie die jüngste seiner Kinder sei und er sie ein wenig verwöhne. Sie fahre so gerne Velo, doch inzwischen, darf sie das nur noch im Hof. In Iran dürfen Frauen zwar Auto fahren, nicht aber Velo oder Motorrad. Nach etwa zwei Stunden ist dann das Essen bereit. Wir werden gefragt, ob wir lieber an einem Tisch essen möchten, was ich sehr gerne annehme, da mich oft die Knie schmerzen, wenn ich lange am Boden sitze. (Bis jetzt haben wir – ausser bei Houman und Maria in Urmia – in allen iranischen Familien am Boden gegessen.)  Alle Gerichte sind für jede Person liebevoll in kleinen Schalen angerichtet. Als wir nach dem Essen, das uns sehr gut geschmeckt hat, aufbrechen wollen, wiederholt der Mann seine Einladung zum Übernachten. Doch wir lehnen ab. Ich glaube, er versteht, dass wir unser ganzes Gepäck im Hotel haben und am folgenden Tag früh mit dem Bus nach Kerman weiterreisen werden.
Der Mann ist mir mit seiner freundlichen Art sympathisch. Irgendetwas an ihm erinnert mich an meinen Vater, vielleicht ist es seine feine Art zu lächeln. Es tut mir leid, dass wir kein auch noch so kleines Geschenk für ihn oder seine Tochter dabei haben. Wir bedanken uns mit Worten und Gesten herzlich und verabschieden uns.


…leicht verbissen

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