Zögernder Aufbruch in den Iran

Die Stadt Tatvan ist wahrlich keine Schönheit und das graue Wetter lässt sie auch nicht in besserem Licht erscheinen. Wegen des kalten Wetters wird noch geheizt und aus den Kaminen der baufälligen Gebäude steigt dicker, graubrauner Rauch. Die schweren Wolken verhindern die Sicht auf die umliegenden schneebedeckten 3000er Berge und den Van-See. So haben wir Zeit unseren Reiseführer zu lesen und entdecken, dass Bitlis, die Stadt die wir durch einen nicht endenden Tunnel am Vortag umfahren haben, ein paar interessante Sehenswürdigkeiten haben soll. So entscheiden wir uns, einen zusätzlichen Tag in Tatvan zu bleiben und Bitlis einen Besuch abzustatten. Mit einem kleinen Regionalbus fahren wir 20 km auf der Vortagesstrecke zurück und besuchen als erstes die Burg von Bitlis. Das Vergnügen wird uns durch einige recht aufsässige Jugendliche vergällt. Dann machen wir uns bei zunehmendem Regen zur vielgelobten Koranschule auf. Dort angekommen erfahren wir, dass diese wegen des muslimischen Feiertages geschlossen ist. Zu mehr reicht unsere Begeisterung nicht und so kehren wir geknickt nach Tatvan zurück. Am nächsten Tag nehmen wir dann definitiv Abschied von der Stadt. Die ursprünglich geplante mehr als 120 km lange Überquerung des Van-Sees mit der Fähre lassen wir fallen, da wir wie schon am ersten Tag in Tatvan nur vage Angaben zur Abfahrtszeit bekommen. Wir machen vom Angebot eines Taxifahrers Gebrauch und fliehen per Auto aus dem grauen Tatvan. Da der Laderaum und die Hintersitze des Kleinwagens durch die Velos und das Gepäck belegt sind, teilen wir uns zu dritt die beiden Frontsitze. Aus sittlichen Gründen darf ich in der Mitte „sitzen“. Genauer gesagt teilen sich Rosa Maria und ich den Platz zwischen Schalthebel und Türe. Legt der Fahrer den zweiten oder den vierten Gang ein, lastet die volle Kraft die es braucht, um Rosa Maria und mich auf unser Revier zusammen zu quetschen, auf meinem Hüftgelenk. Etwa in der Hälfte der Fahrt ist es der Fahrer leid, dass durch meinen Druck auf den Ganghebel noch und noch der Gang herausspringt.  Er verzichtet auf die Benutzung der beiden kritischen Gänge und so wird der zweite Teil der Fahrt bedeutend angenehmer für mich. Van ist als Stadt weniger trist als Tatvan, aber zur grossen Liebe reicht es auch bei dieser Stadt nicht. Die umliegenden majestätischen Berge kann man auch hier mehr erahnen als sehen. Wieder jedoch bleiben wir zwei Tage in der Stadt hängen, bis wir die Weiterfahrt in den Iran antreten. Vielleicht brauchen wir auch einfach die Zeit, um uns auf den Sprung in dieses doch recht fremde Land vorzubereiten. Wegen des andauernden kalten Wetters und langer Strassenabschnitte knapp an der Schneegrenze entscheiden wir uns, auch die ca. 250 km lange Fahrt nach Orumiyeh im Iran mit dem Bus zu bewältigen. Das Verladen unserer Räder und des Gepäcks wird wie fast immer zum Riesenstress für mich. Von den versprochenen üppigen Platzverhältnissen in den Laderäumen des Busses keine Spur. Der Bus ist bei der Ankunft an unserer Haltestelle quasi voll belegt und entsprechend bleibt kaum freier Laderaum übrig. Die Busbegleiter versuchen mit Gewalt die Räder in die minimalen freien Lücken zu quetschen und sind kaum zu bremsen. Schlussendlich klappt es dann doch noch, auch dank der tatkräftigen Unterstützung eines iranischen Flüchtlings der seit einigen Jahren im türkischen Exil lebt. Die Fahrt an die iranische Grenze führt durch eine herrliche Berglandschaft und wir bereuen es, die Strecke nicht mit eigenen Kräften zu bewältigen. Am Grenzübergang in den Iran kommt dann die nächste Hektik auf. Alle müssen den Bus verlassen und sich mit ihrem Gepäck durch die engen Schleusen der Pass- und anschliessenden Gepäckkontrolle zwängen. Wir mit unseren Rädern und den je sechs Gepäckstücken sind in diesem gnadenlosen Rennen bald einmal am Schluss des Feldes. Als wir vom Zollgebäude wieder auf die Strasse kommen, ist vom Bus nichts mehr zu sehen. So kommen wir doch noch dazu, einen Teil der Strecke von Van nach Orumiyeh auf dem Velo zurück zu legen. Da es schon bald dunkel wird und noch mehr als 50 km vor uns liegen, halten wir nach einem geeigneten Platz für’s Zelt Ausschau. Am Rand einer stillgelegten Strasse verbringen die erste Nacht im Iran friedlich im Zelt

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