Porto

Nachdem wir in Portugal fast 1’000 km mit dem Velo gefahren sind, wollen wir für die letzten Etappen den Zug benutzen. Weil hier auf den Schnellzügen keine Velos transportiert werden, können wir nur mit Regionalzügen reisen. Für uns ist das kein Problem, wir haben keine Eile. Doch den einzigen Vormittagszug, der heute trotz Streik der Lokomotivführer verkehrt, hätten wir fast verpasst. Wir haben vergessen, dass heute Nacht auf Sommerzeit umgestellt wurde. Da die Lokal- und Mittelstreckenzüge im ersten oder letzten Wagen Platz für die Velos haben, geht das Ein- und Ausladen ohne Probleme.

Porto ist die zweitgrösste Stadt Portugals und eine der ältesten europäischen Städte. Sie wird – im Vergleich mit Lissabon – auch als die „Hauptstadt des Nordens“ bezeichnet. Auffallend sind die vielen Portweinkellereien mit englischen Namen, deren Segelschiffe noch heute die malerischen Ufer des Douro zieren.

Enge, gewundene Gassen und dicht an dicht gebaute Häuserzeilen bilden die terrassenförmige Altstadt, die als Weltkulturerbe eingetragen ist. Doch viele Häuser des historischen Viertels stehen leer oder sind nur noch im Erdgeschoss von Geschäften benutzt. Die Mieten und Renovationskosten sind so hoch, dass viele Einwohner in neue Wohngebiete an den Stadtrand gezogen sind. Ausgenommen davon sind die schmucken mehrstöckigen alten Wohnhäuser, die direkt am Flussufer gebaut sind. In den meisten gibt es Strassencafés und Restaurants, die lebhaft genutzt werden.

Im Zentrum von Porto gibt es prächtige, grosszügige Plätze, Jugendstilbauten und prunkvolle Kirchen und einen üppig mit Azulejos ausgeschmückten Bahnhof. Noch heute spürt man den ehemaligen Reichtum der Stadt, so auch in einem vielfältigen kulturellen Angebot. Wir lassen uns von einem über die ganze Fassade des Theaters hängenden Plakat verführen und kaufen Karten für die Sonntagnachmittagsaufführung von “Alma”. Es handelt sich um die Umsetzung eines mittelalterlichen Textes von Gil Vicente über die Seele, welche zwischen “Gut und Bös” schwankt und von Teufeln und Engeln begleitet wird. Wir verstehen kaum ein Wort, doch ist die Aufführung visuell und auch akustisch so faszinierend, dass wir uns kein bisschen langweilen. Ausserdem geniessen wir es, in einem altehrwürdigen Theater in roten Plüschsesseln zu sitzen und uns in Gedanken ein paar Jahrhunderte zurück zu versetzen.

Wir verabschieden uns von Portugal mit ein paar letzten “Pasteis de nata” und einem Glas Porto. Morgen steigen wir wieder in den Zug und fahren über die Grenze nach Spanien.


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Coimbra

Die letzte Etappe, die wir in Portugal mit dem Velo fahren, führt uns nach Coimbra, ca. 200 km nördlich von Lissabon. Wir haben den Tejo überquert und sind jetzt in einem dicht besiedelten Gebiet unterwegs. Meist fahren wir auf ziemlich breiten Hauptstrassen. Da wir den Seitenstreifen benutzen können, stört uns der Verkehr nicht stark.


Coimbra in einer Ansicht von 1598

Eigentlich wollten wir in der Jugendherberge übernachten, die sich hoch über der Stadt in einem angenehmen Quartier befinde. Mit äusserster Anstrengung schaffe ich es, mich über das holprige Kopfsteinpflaster hochzukämpfen. Völlig ausser Atem überlasse ich es Reto, sich nach der Verfügbarkeit eines Zimmers zu erkundigen. Es habe noch ein freies Zimmer, aber im obersten Stock, und die Duschen seien im Keller. Reto scheint nicht gerade begeistert. Als ich etwas später das Zimmer anschauen will, muss ich erst Minuten lang warten, bis die junge Frau von der Reception ihr Telefongespräch beendigt. Ich bin ihr offensichtlich lästig. Ich erfahre, dass die Herberge täglich von 12-17 Uhr geschlossen ist und wir vorher weder das Zimmer noch die Duschen benutzen dürfen. Wir müssten also noch etwa vier Stunden warten. Kurzentschlossen verzichten wir auf die Jugendherberge und fahren den steilen Weg wieder hinunter. Ganz in der Nähe des Bahnhofs finden wir am Rande der Altstadt eine hübsche Pension, wo wir zu einem günstigen Preis ein Zimmer mit grossem Balkon bekommen. Dort hat es – neben einer Unmenge von Pflanzen, einem Gartentisch und vier bequemen Stühlen – einen gedeckten Platz für unsere beiden Velos.

Wir kaufen Früchte, Yoghurt, Brot, Käse, Wein und geniessen ein üppiges Nachtessen auf unserem Balkon. Nach den vielen Fleischmahlzeiten ist dies ein richtiger Trost für unseren Gaumen und sicher auch für den Magen.


Die alte Kathedrale (se velha)

Coimbra gefällt uns so gut, dass wir gerne einen Tag länger bleiben. Obwohl es inzwischen etwas kühler geworden ist, geniessen wir es, durch die alte Stadt zu schlendern, in Strassencafés zu sitzen und auf unserem Balkon ein weiteres Picknick zu machen.


Die alte Kathedrale (se velha)

Coimbra – eine der ältesten Universitätsstädte Europas – ist am unwahrscheinlich steilen Flussufer des Rio Mondego angelegt. Zuoberst trohnt die Universität mit den verschiedenen Fakultäten und grosszügigen Plätzen. Wir besichtigen die Bibliothek, ein barockes Prachtsgebäude, in welchem über 300’000 kostbare Bücher aufbewahrt werden.


Das Quartier, in dem wir wohnen

Noch heute prägen die Studenten das Stadtbild. Sie fallen durch ihre weiten schwarzen Umhänge auf. Sonderbar mutet dies vor allem bei den jungen Frauen an, die darunter elegante schwarze Kostüme zu einer weissen Bluse tragen. “Praxe” werden diese Kleidervorschriften und die vielen anderen Regeln genannt. Wie akzeptiert diese Tradition bei den Studierenden heute noch ist, scheint nicht eindeutig. Die einen wehren sich gegen die alten Zöpfe, den anderen scheint die Kostümierung Spass zu machen.

Praxe als Sedativ….


Azulejos (kunstvoll verzierte, bunte Porzellanfliesen)

 

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