Im Norden Spaniens

Unser nächstes Ziel ist die Gegend von Santander in der Provinz Kantabrien an der Nordküste Spaniens. Bei der rudimentären Planung unserer Reise bestand noch die Absicht, den Weg mit dem Fahrrad zu machen. Wir müssen jedoch einsehen, dass die verbleibende Zeit nie ausreichen würde, um in unserem Tempo dorthin zu gelangen. So fahren wir denn mit dem Zug, zuerst bis nach Vigo ganz im Nordwesten Spaniens. Schnellzüge können wir wegen der mitgeführten Velos nicht benützen und so geht es in gemächlichem Tempo mit einem Bummler der Küste nach nordwärts. Die Landschaft ändert sich zunehmend: Anstelle der Wälder hat es jetzt Felder und Wiesen, auch ist die Region bedeutend dichter besiedelt als auf unserer bisherigen Reiseroute.
Nach ein paar Stunden kommen wir in Vigo an. Der erste Eindruck bei der Einfahrt in die Stadt ist nicht erhebend, viel Industrie und Hafenanlagen. Das Verlassen des Zuges gestaltet sich über Erwarten schwierig. Unsere Velos mussten mangels geeigneter Abstellmöglichkeiten auf Anweisung des Kondukteurs in unterschiedlichen Wagen neben den Eingangstüren abgestellt werden. Als wir den Zug verlassen wollen, lassen sich diese Türen partout nicht öffnen – alles Rütteln und Reissen hilft nicht. Es dauert ein wenig bis wir auf die Idee kommen, dass der Kondukteur die Türen verschlossen hat, um zu verhindern, dass beim Öffnen der Türen von aussen die Velos herausfallen. Rosa Maria rennt heraus, um die Weiterfahrt des Zuges zu verhindern, während ich die Velos durch die Wagen zu benutzbaren Türen schiebe. Noch am Bahnhof klären wir die Weiterfahrt in Spanien ab. Die Einschränkungen für den Velotransport sind die gleichen wie in Portugal; auf Schnellzügen sind nur verpackte Fahrräder zulässig. Mit Unterstützung eines spanischen Velofahrers machen wir uns auf die Suche nach Fahrradsäcken oder geeigneten Verpackungsschachteln. Bald geben wir es jedoch auf und schicken uns darein, mit Regionalzügen und mehrfachem Umsteigen nach Kantabrien zu fahren. Der nächste Zug fährt erst am kommenden Morgen und so verbringen wir den restlichen Tag in Vigo. Dabei stellt sich heraus, dass Vigo eine überraschend grosszügig gebaute und wohlhabende Stadt ist. Kehrseite davon sind die spanischen Preise, die erheblich über dem portugiesischen Niveau liegen.
Am nächsten Tag geht es dann im Landesinnern weiter durch Galizien und Asturien. Die Landschaft ist recht wild und am Weg gibt nur wenige Dörfer. Ab und zu sieht man Kohlehalden, Überbleibsel von aufgegebenen kleinen Minen. Gegen Abend gelangen wir nach Reinosa, einem Städtchen in Kantabrien. Rosa Maria hat Bekannte in der Gegend, die sie besuchen will (sie schreibt darüber in einem folgenden Post).
Am übernächsten Tag fahren wir per Velo über die kantabrischen Berge Richtung Norden nach Cabezón de la Sal weiter. Es ist strahlendes Frühlingswetter, die Luft aber noch recht kühl. Der Wegrand ist übersät mit Blumen, die Rosa Maria in Entzücken versetzen. Nach dem höchsten Punkt gibt es eine rassige Abfahrt ins rund 1000 Meter tiefer liegende Ziel.


…ganz so hoch wie im Pamir ist es nicht


…Blumen am Strassenrand

Da wir schon wieder leidiglich in Form sind, erlauben wir uns den Luxus, ein in einem Seitental liegendes Bergdorf zu besuchen. Wegen seiner typischen kantabrischen Häuser und dem nahezu intakten Ortsbild wird das Dorf hochgepriesen. Uns macht der Ort eher einen musealen Eindruck, und wir sind ein bisschen enttäuscht.


…kantabrische Häuser mit ein wenig make up

Auf unserem weiteren Weg durch Kantabrien werden wir noch viele dieser typischen Steinhäuser in einer authentischeren Umgebung bewundern können. Die aus grossen Steinquadern gebauten Häuser scheinen unverwüstlich und ohne Alter. Es ist für uns nicht offensichtlich, ob sie seit fünfzig oder fünfhundert Jahre dort stehen. Auffallend sind auch die vielen romanischen Kirchen, die den Eindruck von Ewigkeit dieser Dörfer unterstreichen. Man merkt, dass diese Region am Rande des maurischen Herrschaftsgebietes auf der iberischen Halbinsel lag – es galt christliche Präsenz zu markieren. Da die Region zugleich von Strängen des Pilgerweges nach Santiago de Compostela – des berühmten Jakobsweges – durchquert wird, dürfte auch die Auslastung dieser Kirchen teilweise gesichert gewesen sein.


eine der vielen romanischen Kirchen

Pilger fallen uns kaum auf, dafür umso mehr Velofahrer. Die halbe kantabrische (männliche) Bevölkerung scheint auf zwei Rädern unterwegs zu sein. Später erfahren wir, dass am kommenden Wochenende ein Volksrennen stattfindet, und sich die Leute auf die Herausforderung vorbereiten.
Nach der Übernachtung in Cabezón de la Sal geht es weiter nach Santa Olalla. Dort werden wir bei Aline und Enrique übernachten. Die beiden sind Mitglieder von Couchsuring und Warmshowers und haben uns eingeladen bei ihnen zu übernachten. Sie kommen uns mit dem Fahrrad bis zur Mitte des Weges entgegen und wir fahren dann gemeinsam zu ihnen nach Hause.


…Empfang durch Aline und Enrique

Sie wohnen seit ein paar Jahren in Santa Olalla und haben mit viel Aufwand und Geschmack ein zerfallenes altes Haus zu ihrem neuen Heim umbebaut. Wir werden mit aller erdenklichen Aufmerksamkeit beherbergt und umsorgt. Beide sind ebenfalls Veloreisende und so ist für Gesprächsstoff gesorgt. Aber auch sonst sind es sehr interessante und sympathische Leute und wir fühlen uns wohl bei ihnen. Am nächsten Tag machen wir dann einen gemeinsamen Veloausflug an die kantabrische Küste und sie zeigen uns viele schöne Winkel ihrer Gegend. Wir erfahren auch noch mehr über die Eigenheiten dieser kantabrischen Häuser, die uns so sehr gefallen. Nicht zuletzt führen sie uns in Restaurants, die uns unseren bisherigen Eindruck von der spanischen Küche stark aufbessern.


…kantabrisches Dorf ohne make up


…Stele fast wie bei Asterix


…die Kochkünste von Aline

Nach einer zweiten Nacht bei  Aline und Enrique machen wir uns auf den Weg nach Bilbao. Zuerst geht es mal kräftig aufwärts, bis wir wieder auf der Hochebene im kantabrischen Hinterland sind. Dann fahren wir bei zunehmend schlechtem Wetter in drei Tagesetappen nach Bilbao. Wie Vigo scheint uns auch Bilbao eine recht wohlhabende Stadt zu sein. Unsere Erkundungstouren in der Stadt halten sich doch in Grenzen, da es zwischenzeitlich immer wieder regnet. Wie in vielen Städten Spaniens ist auch hier während der Osterwoche Hochsaison für Prozessionen, fast täglich findet eine statt. Infolge des Regens können wir nur an einer teilnehmen. Wegen der vielen teilnehmenden Bruderschaften (welche auch Frauen und Kinder einschliessen)  zieht sich der Umzug von der Dämmerung bis in die Nacht hinein. Am eindrücklichsten für mich sind die Gewänder der Teilnehmer: Jede Bruderschaft hat eine andere Farbe und andere Signete, gemeinsam ist jedoch allen der hohe Spitzhut, welcher auch das Gesicht verdeckt – durch Löcher sichtbar sind nur die Augen. So stell ich mir die Richter der Inquisition oder die Angehörigen des Ku Klux Klan vor. Einzig bei den Kindern wirken die weitgeöffneten Augen hinter den Löchern der Masken direkt niedlich. Sie sehen aus wie verschreckte Eichörnchen, die aus ihrem Baumloch herausspähen.


auf dem Weg nach Bilbao


Bilbao


…der farbige Bewacher des Guggenheim-Museums in Bilbao


…weiterer Bewacher des Guggenheim-Museums


…Guggenheim-Museum


…Osterprozession Bilbao

Am Sonntag früh am Morgen radeln wir unsere letzte Strecke in Spanien. Sie führt uns zum Flughafen von Bilbao. Von dort bringt uns das Flugzeug über München nach Zürich. Wegen der voraussehbaren Komplikationen bei der Rückreise mit der Eisenbahn, haben wir mit schlechtem Gewissen auf den Zugtansport in die Schweiz verzichtet.

This entry was posted in Uncategorized. Bookmark the permalink.

2 Responses to Im Norden Spaniens

Leave a Reply