Gastfreundschaftsnetze

Nicht immer finden wir gegen Mitte oder Ende Nachmittag einen geeigneten Platz fürs Zelt. So kommt es ab und zu vor, dass wir in einfachen Pensionen oder Herbergen übernachten. Das hat den Vorteil, dass wir mehr Zeit zum Velofahren, zum Ausruhen oder zur Besichtigung eines schönen Dorfes haben. Meist ist dann das Frühstück inbegbriffen, und wir können uns an einen gedeckten Tisch setzen, ohne dass wir uns um Einkaufen und Kochen kümmern müssen.

Neben Herbergen gibt es für uns auch die Möglichkeit von “Couchsurfing” (CS). Die ist ein Gastfreundschaftsnetzwerk von über drei Millionen von Reisenden auf der ganzen Welt, welche sich gegenseitig gratis eine Couch (oder ein Bett oder einen Platz für einen Schlafsack) anbieten. Wir haben diese Internet-Plattform für Reisende schon in Iran genutzt und damit sehr positive Erfahrungen gemacht. Leider konnten wir bis jetzt noch niemanden bei uns zuhause beherbergen. Winterthur hat wahrscheinlich zu viele “Hosts” (Gastgeber) und zu wenig “Surfer” (Gäste, die eine Übernachtungsmöglichkeit suchen).

Charlotte ist Französin und wohnt seit ein paar Jahren zusammen mit Philippe, einem Maler, in Portugal. Sie leben in einem kleinen Haus in Odemira, das ungefähr an der Grenze zwischen der Algarve und dem Alentejo liegt. Sie ist eine sehr aktive CS-Gastgeberin. Im März hat sie unsere Reisepläne gelesen und uns angefragt, ob wir auf der Durchreise nach Norden bei ihnen einkehren möchten. Als wir dann ein paar Wochen später wirklich nach Odemira kommen, holt sie uns im Dorf ab und erklärt uns den Weg zum Haus. Wir sind uns auf Anhieb sympathisch und verstehen uns gut, obwohl sie viel jünger ist als wir. Es ist nicht immer einfach, sich für die Gastfreundschaft erkenntlich zu zeigen. Bei Charlotte ist alles klar, sie wünscht sich, dass ihre Gäste ein typisches Gericht aus ihrem Herkunftsland kochen. Wir schlagen Rösti mit Züri-Geschnetzeltem vor. Im Dorf finden wir alle Zutaten, ausser den richtigen Kartoffeln. Doch auch so gelingt das Abendessen, und wir sitzen noch lange mit Charlotte und Philippe am Tisch, erzählen und hören zu, diskutieren über Politik und Kunst, über Frankreich und Portugal, über Musik und Comics und über vieles mehr. Es ist kaum zu glauben, dass wir uns erst seit ein paar Stunden kennen.

Wir schlafen im Gästezimmer. Am Morgen erwachen wir mit dem Duft von frischem Kaffee. Wir frühstücken zu viert am Tisch vor dem Haus in der Morgensonne. Dann fährt Philippe mit dem Motorrad in das Atelier, welches die Gemeinde den KünstlerInnen und Handwerkern im Dorf zur Verfügung stellt.

Die Hündin Adip mit den blauen Augen

Etwas später folgen wir ihm zusammen mit Charlotte und der Hündin Adip. Sie zeigt uns die schönsten Ecken und Plätze von Odemira. Im Atelier sehen wir die Bilder, die Philippe für eine Ausstellung im April in Frankreich zusammengestellt hat. Die erste Serie stellt getrocknete Fische (Bacalhau) dar, die zweite Korkeichen (Sobreiros). Es sind halb figürliche Darstellungen, und sie zeigen die intensive Auseinandersetzung des Malers mit seiner Umgebung und dem Gastland.

 


Der Ateliergarten, wo im Sommer regelmässig Feste stattfinden


Abschied von Charlotte und Philippe in Odemira

Nach einer kurzen Nachmittagsetappe kommen wir in Milfontes an, wo wir unser Zelt auf dem Campingplatz aufstellen. Für den Abend sind wir mit Sylvain verabredet, einem Freund von Charlotte und Philippe. Auch er ist Franzose, lebt seit einigen Jahren in Portugal und macht bei Couchsurfing mit. Da er auch Erfahrungen mit Veloreisen hat (er ist u.a.von Serbien aus mit dem Velo bis nachhause gefahren) sind wir besonders gespannt, ihn kennenzulernen. Er bringt gleich zwei CS-Gäste mit, die heute bei ihm schlafen. Es ist ein sehr junges Paar aus Belgien und Dänemark. Sie versuchen, mit Autostopp durch Portugal zu reisen. Die junge Frau träumt davon, auch einmal eine ganz grosse Reise mit dem Velo zu machen. Und jetzt erwartet sie von uns “alten Hasen” Tipps…. Ich muss schmunzeln, doch eigentlich erzählen wir gerne von unseren Erlebnissen. Auch Sylvains Radreiseabenteuer sind interessant, und gebannt hören wir ihm zu. Von den beiden Jungen erfahren wir Spannendes über ihre Essensgewohnheiten: sie haben in den letzten Wochen (oder Monaten) nur Ungekochtes gegessen und sich dabei sehr wohl gefühlt. Nur mit rohen Gemüsen und Früchten, Salaten, Honig, Nüssen und Samen hätten sie sich ernährt.

Sylvain ist übrigens ein aktives Mitglied (wie wir auch) von “Warmshowers” (WS). Dies ist die etwas bescheidenere Variante als CS und richtet sich ausschliesslich an Veloreisende. Das ursprünglich Ziel ist – wie es der Name sagt – den Reisenden, die mit Velo unterwegs sind, am Ende eines langen Tages oder einer anstrengenden Woche zumindest eine warme Dusche anzubieten. Meist ist dies verbunden mit einem Platz im Garten, wo man das Zelt aufstellen kann, oder mit einer einfachen Übernachtungsmöglichkeit im Haus.

Inzwischen gibt es auch andere solcher “Hospitality”-Organisationen, aber für uns sind WS und CS die wichtigen, die wir auch ab und zu nutzen, wenn wir unterwegs sind. Solche Kontakte sind für uns sehr hilfreich, auch wenn wir sie oft nur beanspruchen, um aktuelle Informationen zu einer Stadt oder einem Land in Erfahrung zu bringen.

Da ich mir vorgenommen habe, in diesem Bericht ein wenig von Menschen zu erzählen, denen wir unterwegs begegnen, wird es wieder Reto sein, der von der Fortsetzung unserer Reise schreibt.

 

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